Es ist also Herbst geworden… Herbst 2020. Ein anderer Herbst als alle bisherigen. Während ich diesen Satz tippe habe ich ein bisschen Kürbis-Möhrchenbrei am Ärmel. Sieht man wirklich kaum und es ist auch nicht relevant. Es passt zu meinem Leben und es gibt Tage im Zusammenleben mit einem 1,5 Jahre alten Kind, die sind so eng getaktet, dass ein wenig angetrockneter Brei am Ärmel kaum bis keine Rolle spielt.
Was mich gerade viel mehr tangiert als mein Ärmel sind die aktuellen Entwicklungen und das, was das für mich als Inhaberin von MeinPilates bedeutet wird.
Heute Nachmittag habe ich eine Paypal-Spende mit persönlicher Nachricht erhalten von einer MeinPilates-Kundin, die ihre heutige Kursteilnahme im Studio storniert hatte. Freiwillig hat sie dennoch ihre Kursgebühr gespendet (und sogar mehr als das) und ist dennoch zuhause geblieben.
DAS BERÜHRT MICH
Und wieder merke ich, dass ich das alles nicht möchte. ICH WILL mit euch zusammen im Studio sein. Ihr: meine Teilnehmer – seid meine Inspiration für so vieles. Live und in Farbe möchte ich mit euch zusammen turnen und eure lachenden Gesichter sehen (ohne Maske) und zu guter Letzt MÖCHTE ich zwischen euren Matten herumwandeln und eure schiefen Wirbelsäulen mit meinen Händen (falls nötig) gerade rücken. DAS macht mich glücklich und DESHALB habe ich das MeinPilates Studio 2011 eröffnet. Gemeinsam turnen UND lachen. Wenn das nun viele weitere Monate nur eingeschränkt möglich sein wird, dann macht mich das betroffen.
Mal was ganz anderes… aber irgendwie passt es: Heute habe ich „Bobo Siebenschläfer“ gesehen. Ein Video für Kinder auf Youtube. Der kleine Bobo war mit seiner Mama Eis essen. Spontan hat der Eisverkäufer sich den kleinen Bobo geschnappt und ihm seine Eisverkäufermütze aufgesetzt. Auf seinem Arm durfte er dann selber Eisverkäufer hinter der Theke spielen.
ES IST NUR EIN VIDEO
Ja… aber trotzdem: ich liebe solche spontanen Aktionen auch im echten Leben zwischen kurz zuvor noch fremden Menschen. Eine gesellige, spontane, herzliche Situation, die einfach so entsteht, weil man offen auf andere zugeht und sich selbst und alltägliche Momente nicht zu ernst nimmt. Vieles davon habe ich in den letzten Monaten nicht mehr in der Form erleben dürfen. Wir sind alle mehr auf Abstand gegangen mit all den Konsequenzen. Es betrifft nicht nur meinen Pilatesunterricht, sondern auch meinen Alltag.
MEIN WUNSCHKONZERT
Ich wünsche mir für meinen Sohn eine Welt, in der man ohne Angst aufeinander zugehen kann und sich auch mal ungefragt von fremden Eisverkäufern durch die Luft wirbeln lassen kann. Ich möchte, dass wir wieder in Innenräumen laut singen dürfen und ich wünsche mir eine Welt, in der alle wieder freundlich lachend „Gesundheit“ rufen, wenn jemand ausgiebig niest. Ich wünsche mir, ich wünsche mir, ich wünsche mir…ja, ja… die Welt ist kein Wunschkonzert. ICH WEIß. Wir alle müssen da durch. Jeder von uns muss sich seinen Alltag neu zusammenpuzzeln und sich flexibel an neue Vorgaben gewöhnen. Trotzdem möchte ich manchmal – neben der großen Dankbarkeit für all meine lieben und treuen Kunden – einfach mal traurig sein dürfen (und besorgt).
Es geht also jetzt wieder los.
Falls die Studios nochmal schließen müssten oder weitere (notwendige) behördliche Anordnungen unser unbeschwertes Arbeiten einschränken: Was mache ich dann? Ich weiß es noch nicht.
WO WERDE ICH SEIN, WENN DAS SO WEITER GEHT?
Wo ich mit großer Wahrscheinlichkeit sein werde: Ich stehe auf jeden Fall 1 x täglich an der Rutsche und ich winke 2 x täglich dem Baggerfahrer Luigi an der Dauerbaustelle in der Viktoriaallee zu (bzw. mein Sohn).
Und ich sitze nachts noch am Laptop und beantworte eure E-Mails. Und Sonntags von 10 Uhr bis 11 Uhr bin ich wie immer hier:
https://www.wohnzimmerpilates.de/livestreams
Zusammen mit unfassbar vielen Menschen, die mit uns jeden Sonntag Pilates im Livestream genießen. Was dich da erwartet? Ein authentischer, unverfälschter Kurs – fast wie im Studio. Nur ohne eure lachenden Gesichter, aber die stell ich mir immer vor.
MEINE INSPIRATION … SEID IHR.
Ihr lieben MeinPilates Teilnehmer im Studio seid und wart immer meine allerliebste Inspiration fürs Anleiten im Livestream. Dank euch weiß ich ganz genau, was ich wann-wo-wie sagen muss, um euch nun auch in euren Wohnzimmern unterrichten zu können. Hoffentlich erfahren bald noch viel mehr Menschen, dass wir da diese einzigartige WohnzimmerPilates-Community haben, die unser aller Leben so bereichert.
BÄCKERSCHLANGENWERBUNG – IST DAS EIN WORT?
Gerade überlege ich, wie ich unser Online-Angebot noch mehr bewerben kann. Vielleicht hänge ich – neben der aktuell geplanten Instagramwerbung – einfach mal ganz oldschool einen Zettel in unser Fenster im Erdgeschoss. Vielleicht steht da ja morgen jemand in der Schlange vor dem Bäcker im Frankenberger Viertel und sieht meinen selbst gedruckten Zettel im Fenster und schaltet dann wirklich am Sonntag ein.
Aber ach, herrje: Pilates live auf Youtube??? Hätte mir das jemand Anfang des Jahres gesagt: Ich hätte ihm einen Vogel gezeigt. Aber nun sitze ich hier: Brei am Ärmel und verewige meine sehr privaten Sorgen und werde sie vermutlich auch anschließend öffentlich posten. Das ist auch immer noch neu in meinem Leben. Diese ganze Situation: Mama sein UND Unternehmerin in Coronazeiten – das alles hat mich mutiger gemacht. Ich habe seit geraumer Zeit keine Lust mehr, mich zu verstellen.
DIE NEUE REALITÄT
Wir sitzen alle im selben Boot. In dieser Situation menschlich sein und seine Schwächen auch mal zu zeigen – öffentlich zugeben, dass nicht immer alles perfekt läuft und man vielleicht auch mal Hilfe (oder ne feste Umarmung) gebrauchen könnte –> das ist die NEUE REALITÄT… zumindest meine.
ICH BIN MÜDE
Ich bin müde und gleichzeitig voller Tatendrang. Alles ist möglich, wenn wir uns nur trauen, wir selbst zu sein. Diese neue Erfahrung – die ich ohne all das nie so intensiv gemacht hätte – finde ich irgendwie auch ein bisschen gut. Nein. Ich sag es nochmal wie es ist: ohne Füllwörter wie irgendwieund ein bisschen –> Ich finde diese Erfahrung gut.
Und was war nochmal die Erfahrung? Ich bin so müde und verliere den Faden… ach, ja:
Alles ist möglich, wenn wir uns nur endlich trauen, wir selbst zu sein.
Heute Abend hab ich eine Stunde Pilates im Studio unterrichtet. Ich hatte dabei immer noch dasselbe Oberteil an. Das bisschen Brei am Ärmel. Wir sind ja eh auf Abstand. Das sieht doch keiner… Und falls doch: So ist das eben im Moment. Die neue … meine neue Realität.


Liebe Caro,
mit Tränen in den Augen lese ich deine Worte! Du sprichst mir so aus der Seele. Vielleicht, weil ich manchmal auch das Essen noch am Ärmel habe, oder wohl eher, weil es eben für junge Familien genau so ist! Kurz bevor dein Zwerg geboren wurde, trafen wir uns beim Arzt und du sagtest, du müsstest mich einfach mal umarmen, so in dieser Situation (ich stand auch kurz vor der Geburt meiner Tochter). Jeder von uns merkt gerade, wie seltsam und entgegen unserer Natur das Abstandhalten ist. Und gerade deshalb ist euer Pilates so toll und wertvoll; man spürt wenigstens sich selbst richtig gut und tief. In dem Sinne hoffe ich einfach, dass man in einem Jahr alle wieder gedankenlos und liebevoll umarmen kann… halte durch!
Ganz liebe Grüße
von
Eva
Liebe Caro, gerade erfahre ich dass du Meisel heisst. Gerade jetzt wenn ich das show Mrs Maisel folge, ist das ein Zufall? 🙂 Du errinerst mich so an dieser Charakter. Sehr glücklich, spontan und stark!
Es ist wirklich eine hervorragende Situation, ich verstehe dich sehr gut als Mama. Dank Mein Pilates online, ist es aber für mich durch die Woche viel besser zu kommen. Ich danke euch dafür!
Liebe Caro,
auch mir kommen die Tränen, wenn ich das lese! Mir geht es so ähnlich, ich bin auch müde.. müde, jeden Tag Nachrichten zu hören oder lesen und dieses leidige Thema nicht endlich abschließen zu können. Ich bin auch traurig, weil ich mit meinem kleinen Sohn im Sommer gerne die Welt erkundet hätte und auf Reisen gegangen wäre, weil mir liebe Freunde fehlen, die man über Monate nicht sieht/besuchen kann, weil eines der ersten Worte des Kleinen „Maske“ ist, weil mir die Unbeschwertheit und Umarmungen fehlen und weil ich mit meinen Eltern leide, wenn wir ihnen verbieten müssen, unser Kita-Kind ohne Maske auf den Arm zu nehmen und zu knuddeln. Ich bin es so satt, denn dieses Jahr ist neben der üblichen Herbstdpressiom nun auch noch die Corona-Perspektivlosigkeit dazugekommen. Das ist der eine Teil von mir.
Der andere Teil ist dankbar. Für die ganze freie Zeit, die wir plötzlich ohne Dienstreisen für unsere kleine Familie haben, für die Erkenntnis, welche Freunde in solchen Zeiten wirklich zählen, dafür, dass wir alle (noch) gesund sind und keinen geliebten Menschen gehen lassen mussten, dass wir in einer schönen Stadt mit viel Natur leben und einen tollen Sommer hatten, dafür, dass wir Arbeit, ein (schönes) Dach überm Kopf und genug zu essen haben, für unser Gesundheits- und Sozialsystem und eine Regierung, die zwar nicht perfekt ist, aber das Boot bisher ganz gut gelenkt hat (für ein paar Idioten in der Besatzung kann ja keiner etwas..). Nunja.. und natürlich auch für nette Begegnungen auf Abstand – die sind zwar anders geworden, aber auch mit Maske kann man das Lächeln in den Augen von Fremden sehen 🙂
Auch diesen Sonntag bin ich wieder dabei – wie schon bei eurem ersten Live Stream. Auch das ist etwas, das zu der neuen Routine dazugehört und was ein kleines Highlight in dem sonst recht eintönig gewordenen Alltag ist. Pilates im Wohnzimmer statt Reisen, Theater- oder Konzertbesuche.. Vielen Dank für Alles und halte bitte durch!
Tina